Anna Herzig – Die dritte Hälfte eines Lebens
Manche Autor*innen schaffen es auf 500 Seiten nicht, eine Geschichte zu erzählen. Anna Herzig dagegen skizziert in „Die dritte Hälfte eines Lebens“ die Geschichte eines ganzen Dörfchens über mehrere Jahrzehnte und lässt dabei gekonnt Themen, wie Rassismus und Diskriminierung sowie die Dynamik einer Dorfgemeinschaft mit all ihren Gerüchten, Traditionen und ihrer Lethargie einfließen.
Der Rathbauer möchte eigentlich bei der nächsten Gelegenheit in Frauenkleidern nach Italien abhauen. Doch die Gelegenheit scheint sich nie zu bieten und so bleibt er in Krimmwing, so wie Rosa, die ihr Leben durch ihr Kind Seppi zerstört sieht, und ebendiesen, der aufgrund seiner Hautfarbe und Vaterlosigkeit gemobbt wird, die Liesl, die wegen ihrer 3 Brüste von den Frauen des Ortes gleichsam beneidet und verachtet wird und viele andere.
Anna Herzig hat mich schon in „Herr Rudi“ mit ihrem Schreibstil gepackt und auch hier brilliert die Salzburgerin mit schnörkelloser Sprache, die trotz ihrer schonungslosen Direktheit so viel zwischen den Zeilen erzählt. Die Wucht der Ereignisse wird durch die teils harmlose Schilderung geradezu vervielfacht und auch die Namen, wie Seppi und Frido tragen zur Tragikomik bei. Was mich ein bisschen stört, ist der experimentelle Ansatz der Textgestaltung, der das Lesen zusätzlich zu den zeitlichen und räumlichen Sprüngen doch (gewollt?) erschwert.
Anna Herzigs Roman fühlt sich an wie eine kalte Hand im Nacken, denn das Wegsehen, das Tratschen, die Vorurteile kennen wir wohl alle und müssen uns mehr oder weniger an die eigene Nase fassen und doch es bleibt die Hoffnung, dass wir wie einige der Romanfiguren daraus ausbrechen können.
Titel | Die dritte Hälfte eines Lebens |
Autor*in | Anna Herzig |
Verlag | Otto Müller Verlag |
ISBN | 9783701312931 |
Erscheinungstermin | 23.02.2022 |
Seitenzahl | 140 Seiten |
Link zur Verlagsseite: Die dritte Hälfte eines Lebens